Artikel-Schlagworte: „Ausgabe 5“

Liebe Leserinnen und Leser!

Autor und Übersetzer, der Schriftsteller und sein Sozius – ein Paar, das gemeinsam Weltliteratur schreibt. Die Idee der gemeinsamen Urheberschaft prägte Jorge Luis Borges, der den Übersetzer in seinen Harvard-Vorlesungen in die Zunft der Schriftsteller aufnahm und darum der ersten Ausgabe der ReLü seine Stimme lieh. Jean-Philippe Toussaint betonte in Ausgabe 2 die enge Zusammenarbeit mit seinen Übersetzern. Internationale Arbeitstreffen gehören für ihn längst zur Routine seines Arbeitsablaufs. Schriftsteller und Übersetzer, sie arbeiten beide an der Sprache und gegen die Sprachlosigkeit. Mit einem Unterschied: Der Schriftsteller darf sich Sprachlosigkeit schon mal leisten, der Übersetzer nicht. Schriftsteller bringen Geschichten zu Papier, Übersetzer bringen sie zur Sprache.

Pointiert zur deutschen Sprache gebracht hat Marcus Ingendaay Clifford Chase‘ schräge Parodie auf den Antiterrorkampf der USA, Winkie. Hans Terre überträgt den amerikanischen Slang in Iain Levinsons Wirtschaftskrimi Since the Layoffs gemäß der hierzulande geltenden Konvention ins Hochdeutsche: Betriebsbedingt gekündigt. Brigitte Lindeckes deutsche Fassung der italienischen Love-Story Ho voglia di te – Ich steh auf dich macht die Illusion einer deutschen Urheberschaft dagegen perfekt. Gelegentlich entsteht aus gemeinsamer Urheberschaft auch autonome Autorschaft, wie das Beispiel Ingo Herzkes zeigt, der in der Übersetzung von Edward St. Aubyns Never Mind Schöne Verhältnisse den Zynismus einer britischen Upperclass-Familie als Aphoristiker zumindest salonfähig macht.

Ungeachtet des Sujets gelingt es Übersetzern, trotz verschiedener Idiome eine gemeinsame Sprache zu sprechen und über die gemeinsame Sprache den Lesern beider Idiome einen gemeinsamen Raum zu öffnen. Übersetzen ist daher keine ausschließlich literarische Fertigkeit, sondern eine Kulturtechnik – der soft skill für die (literarische) Weltgemeinschaft.

Viel Vergnügen mit der fünften Ausgabe von ReLü wünscht Ihnen

Stefanie Hattel für die ReLü-Redaktion

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Rolf Pütter über
Pour une critique des traductions: John Donne
des französischen Übersetzers und Übersetzungstheoretikers Antoine Berman
Antoine Berman schlägt eine Methode der Übersetzungskritik vor, die sich nicht darauf beschränkt, Original und Übersetzung miteinander zu vergleichen. Vielmehr richtet er seine Aufmerksamkeit auf die Absichten des Übersetzers, sein Projekt. Aufgabe des Kritikers ist es, dieses Projekt zu rekonstruieren, da es ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Übersetzung bildet.

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Nina Restemeier über
Ich steh auf dich von Federico Moccia
aus dem Italienischen übersetzt von Brigitte Lindecke
Auf dieses Buch, so scheint es, hat ganz Italien gewartet, zumindest dem rasanten Tempo nach zu urteilen, mit dem „Ho voglia di te“ im Frühjahr 2006 die Bestsellerlisten erklomm. Endlich geht sie weiter, die romantische Liebesgeschichte zwischen Step und Babi! Oder doch nicht? Die Fortsetzung von Federico Moccias Kultbuch „Tre metri sopra il cielo“ hat bereits die italienische Jugend begeistert und ist nun in einer überaus gelungenen Übersetzung in Deutschland erschienen.

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Stefanie Hattel über
Der Herr der Wolken von Stéphane Audeguy
aus dem Französischen übersetzt von Elsbeth Ranke
Einem Menschen einen Namen zu geben, heißt, sich ein Bild von ihm zu machen. Er kann diesem Bild fortan entsprechen, er kann ihm aber auch nicht gerecht werden. Die Dinge zu benennen, ihnen einen wissenschaftlichen Namen zu geben, heißt, sich einen Begriff von ihnen zu machen, heißt zu verstehen versuchen. So lautet im Groben einer der Erfahrungssätze aus „La Théorie des Nuages“ (2005), dem Roman mit dem der Franzose Stéphane Audeguy in Frankreich zum Kritikerliebling wurde, in Deutschland allerdings auf wenig Gegenliebe stieß. Als „Abenteuer-Wissenschaftsroman“ erschien er 2006 bei SchirmerGraf in der Übersetzung Elsbeth Rankes unter dem Titel „Der Herr der Wolken“ – ein Titel, der ein trügerisches Bild entwirft.

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Marie-Christin Starck über
Betriebsbedingt gekündigt von Iain Levison
aus dem Englischen übersetzt von Hans Therre
Warum sollte man mit einem Auftragskiller mitfühlen - er handelt doch gegen das Gesetz? Warum wird jemand, der unter seinen Kollegen den Ruf eines Moralapostels genießt, zum Auftragskiller? Und wie kann man mit solch einem Menschen Mitleid haben? Die Antwort finden Sie in Betriebsbedingt gekündigt, einem absolut lesenswerten Roman. Warum?

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Nadine Alexander über
Schöne Verhältnisse von Edward St. Aubyn
aus dem Englischen übersetzt von Ingo Herzke
Edward St. Aubyn sorgte 1992 mit seinem ersten Roman für Aufsehen, als er dem britischen Publikum einen ebenso amüsanten wie schockierenden Blick hinter die Kulissen seiner Upper Class gewährte. Auf eine deutsche Übersetzung mussten die Leser hierzulande lange warten, bis im letzten Jahr schließlich der vierte Band aus St. Aubyns Romanreihe für den renommierten „Booker Prize“ nominiert wurde. Doch das Warten hat sich gelohnt.

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Caroline Grunwald über
Leben lernen: Eine philosophische Gebrauchsanweisung von Luc Ferry
aus dem Französischen übersetzt von Lis Künzli
Luc Ferry - Philosoph, Professor, Publizist und Politiker - hat auf knapp 300 Seiten zusammengefasst, „was er in der Geschichte des Denkens als wichtig erachtet“. Er rast also in seiner „Philosophischen Gebrauchsanweisung“ in den vier „wichtigsten Schritten“ vom Stoizismus über das Christentum dem Humanismus entgegen, umkreist noch schnell den „Fall Nietzsche“ in der Postmoderne und kommt über die „zeitgenössische“ Philosophie nach der Dekonstruktion schließlich zu seinem eigenen philosophischen Gesamtkonstrukt. In Frankreich war die literarische Welt begeistert. Doch hierzulande scheint die Welle der Begeisterung nicht so hoch zu schlagen. Woran liegt's?

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Christina Rohe über
Elf Minuten von Paulo Coelho
aus dem brasilianischen Portugiesisch übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann
Seit gut zehn Jahren schaffen es die Bücher des Brasilianers Paulo Coelho in Deutschland regelmäßig auf die Bestsellerlisten. Sein Konzept ist ebenso einfach wie erfolgreich: kurze, gleichnishafte Erzählungen, in denen der Sinn des Lebens gesucht und nach manchen Umwegen schließlich auch gefunden wird. Doch in seinem Roman „Elf Minuten“ zeigt der Autor Schwächen – die Übersetzerin Maralde Meyer-Minnemann dafür kaum.

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Daniela Eltrop über
Winkie von Clifford Chase
aus dem Amerikanischen übersetzt von Marcus Ingendaay
Ein kleiner Stoffbär erwacht zum Leben, macht sich auf, die Welt zu entdecken, bekommt Nachwuchs und soll schließlich durch einen Justizirrtum als gefährlichster Terrorist der USA zum Tode verurteilt werden. Das hört sich skurril an? Ist es auch. Clifford Chase wählt in seinem ersten Roman „Winkie“ einen ganz neuen Ansatz, den Antiterrorkampf der USA anzuprangern. Dank Marcus Ingendaays grandioser Übersetzung ist das Buch auch auf Deutsch ein reines Lesevergnügen.

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Karolin Viseneber über
Das Rätsel der Masken von Elia Barceló
aus dem Spanischen übersetzt von Stefanie Gerhold
Der fesselnde Roman über das Leben eines fiktiven Schriftstellers des lateinamerikanischen Booms hält viele Überraschungen bereit. Wer hat welche Funktion in dieser spannenden Geschichte um Liebe und Abhängigkeit, Macht und Ohnmacht und die Faszination von Literatur? Ariel Lenormand, ein französischer Literaturwissenschaftler, versucht die Wahrheit über das Leben de la Torres ans Licht zu bringen...

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