Buchcover Römischer Kult
Nina Restemeier über Ich steh auf dich von Federico Moccia, aus dem Italienischen übersetzt von Brigitte Lindecke

Auf dieses Buch, so scheint es, hat ganz Italien gewartet, zumindest dem rasanten Tempo nach zu urteilen, mit dem Ho voglia di te (dt. Ich steh auf dich, übersetzt von Brigitte Lindecke) im Frühjahr 2006 die Bestsellerlisten erklomm. Endlich geht sie weiter, die romantische Liebesgeschichte zwischen Step und Babi, die seit 2004 in der Buch- und Filmversion (und neuerdings auch in einer Theaterfassung) Millionen italienischer Jugendlicher begeistert hat. Die Geschichte von Tre metri sopra il cielo (dt. Drei Meter über dem Himmel, übersetzt von Olaf Matthias Roth) ist schnell erzählt: Mädchen aus gutem Hause verliebt sich in Schlägertypen, der mit seiner Gang nachts in den Straßen Roms illegale Motorradrennen fährt, krumme Dinger dreht, aber bei alldem doch irgendwie ein ganz lieber, romantischer Junge ist. Durchsetzt mit flapsiger Alltagssprache und durch den Realitätsbezug in Form von zahlreichen Songtiteln und Markennamen traf Federico Moccias Erstlingsroman offenbar den Nerv einer ganzen Generation. Die Fortsetzung folgte also notwendigerweise, und Moccia hat es sich nicht leicht gemacht, denn schließlich haben sich Babi und Step am Ende des ersten Bandes getrennt: „Bleibt nur eine Frage: Werde ich je dorthin zurückkehren, an jenen Ort weit über uns, der so schwierig zu erreichen ist? Dort, wo alles viel schöner ist. Und in dem Augenblick, in dem er sich das fragt, weiß er bereits die traurige Antwort.“

Nun ist Step also zurückgekehrt. Zwei Jahre hat er in New York gelebt, Design studiert und vor allem versucht, die Trennung von Babi, seiner großen Liebe, zu überwinden. Zurück in Rom beginnt er, sich die Stadt erneut zu erobern, trifft überall auf Freunde und Bekannte oder sogar ‚Fans‘. Ja, Step ist eine Legende, sein Ruf als furchtloser Rennfahrer noch nicht verblasst und sein Graffiti für Babi „Du und ich – drei Meter über dem Himmel“ hat Schule gemacht, im Buch wie in der Realität.

Eigentlich ist es also nur eine Frage der Zeit, bis Step wieder auf Babi trifft. Doch dann lernt er Gin kennen, auf eine amüsante wie unrealistische Art und Weise. Sie ist eine Zicke, wie sie im Buche steht, und zeigt sich von seiner selbstsicheren Art gänzlich unbeeindruckt. Doch Step wäre nicht Step, wenn er sie mit seinem umwerfenden Charme und seinen verrückten Ideen nicht doch erobern würde. Dennoch steht immer die Frage im Raum, ob diese neue Liebe gegenüber der alten, legendären ersten Bestand haben kann.

Mit Step ist auch Federico Moccias Schreibweise erwachsener geworden. Während Drei Meter über dem Himmel einfach verschiedene Episoden aus dem Leben von Babi und Step aneinanderreiht, macht Ich steh auf dich einen durchkomponierten Eindruck. Dabei spielt Moccia mit den Erzählperspektiven: Sowohl Step als auch Gin erzählen ihre Version der Geschichte in der Ich-Form. Step kommt auf diese Weise mehr Raum zu als im Vorgängerbuch, so dass der Eindruck vom Schlägertypen zunehmend dem eines sensiblen jungen Mannes weicht, der sich hinter dem selbst aufgebauten Image vom harten Kerl versteckt. Die Perspektive wechselt manchmal innerhalb eines Kapitels, was den Leser hin und wieder stutzen lässt. Hinzu kommen Episoden aus der Sicht Babis, ihrer Schwester Daniela und ihrer Eltern Claudio und Raffaella. Diese Figuren, die zur Haupthandlung wenig beizutragen haben, verdanken ihre Auftritte im Buch wohl der Tatsache, dass es sich hier um eine Fortsetzung handelt, die gerne mit bekanntem Personal aufwarten möchte. Auch die seitenlangen Beschreibungen von Boxkämpfen, Schlägereien oder Steps Sauf- und Fressgelagen mit seinen Freunden erwecken mitunter den Eindruck, als hätte Federico Moccia seine Handlung ein wenig aus den Augen verloren. Ähnliches gilt für den Handlungsstrang, der Steps angespanntes Verhältnis zu seiner Mutter zum Thema hat und dessen Ende leider arg in Richtung Kitsch abdriftet. Das alles ist jedoch Geschmackssache, und das rasante Tempo der übrigen Passagen und die verblüffende Schlusswendung machen dieses Manko allemal wett.

Auch im Bezug auf die Übersetzung übertrifft die Fortsetzung den ersten Band um Längen. In der Übertragung Brigitte Lindeckes liest sich das Buch, als sei es nie in einer anderen Sprache als Deutsch verfasst worden. Das liegt unter anderem daran, dass die Übersetzerin sich durchaus zugunsten der deutschen Idiomatik vom Original löst oder beherzt die Satzstellung verändert. Lediglich einige wenige subjektlose Sätze versuchen, die Dynamik des Originals zu imitieren und erinnern so noch an die italienische Syntax: „Sie sieht mich mit ihrem lustigen Gesicht an. Neigt den Kopf zur Seite. Und fixiert mich.“ Ein besonders großer Teil der Wirkung wird durch den gekonnten Einsatz der Umgangssprache erzielt: „Nee, is klar“, „Spacko“, „poppen“ und „Was für’n Scheiß!“ fügen sich wie selbstverständlich in den Text ein. Außerdem verkürzt Brigitte Lindecke in der wörtlichen Rede die Verben der ersten Person Singular, ohne dieser Auslassung durch Apostrophe allzu große Bedeutung beizumessen: „Was hab ich dir gesagt?“ „Ich fass es nicht!“ Das liest sich entspannt und erweckt beim Leser den Eindruck, mitten im Geschehen zu sein. Zusammengenommen ist dies eine ausreichende Entschädigung für die Unübersetzbarkeit des römischen Dialekts, der im Original erfreulich oft zu lesen ist.

Bemerkenswert ist die Wirkung, die Federico Moccias Bücher in Italien haben. Sowohl Tre metri sopra il cielo als auch Ho voglia di te wurden jeweils innerhalb eines Jahres nach Erscheinen des Buches verfilmt. Tausende (zumeist weibliche) User zwischen 13 und 18 Jahren diskutieren in Internetforen, ob Step besser mit Babi oder mit Gin zusammenbleiben sollte. Der gesprühte Schriftzug „Io e te tre metri sopra il cielo“ findet sich tatsächlich auf so mancher Brücke und Mauer in ganz Italien, und vor allem der von Moccia beschriebene, angebliche alte Brauch, am Ponte Milvio in Rom ein Vorhängeschloss mit dem eigenen Namen und dem des/der Liebsten anzubringen und den Schlüssel im Tiber zu versenken, findet zum Ärger der römischen Behörden begeisterte Nachahmer. In Deutschland besteht die Resonanz auf die beiden Romane größtenteils in der Berichterstattung über die römische (und gesamtitalienische) Brücken- und Schlossproblematik mit Verweis auf „einen italienischen Liebesroman“. Auch wenn die Bücher hierzulande wohl nie den gleichen Erfolg haben werden wie in Italien, wäre ihnen und der gelungenen Übersetzung (vor allem des zweiten Bandes) etwas mehr Aufmerksamkeit doch zu wünschen.

Federico Moccia: Ich steh auf dich, aus dem Italienischen übersetzt von Brigitte Lindecke, Berlin: List 2007, 528 Seiten, €18,-

Federico Moccia: Ho voglia di te, Mailand: Feltrinelli 2006, 416 Seiten

Federico Moccia, geb. 1963 in Rom, ist Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 1992 brachte er im Selbstverlag seinen ersten Roman, Tre metri sopra il cielo heraus, der jahrelang in Form von Fotokopien unter den Jugendlichen Roms kursierte, bevor er 2004 in überarbeiteter Form vom Verlag Feltrinelli veröffentlicht und zum Bestseller wurde. 2006 erschien die Fortsetzung Ho voglia di te und 2007 Moccias dritter Roman Scusa, ma ti chiamo amore. Außerdem wurde 2006 aufgrund der großen Nachfrage die 1992er-Originalversion von Tre metri sopra il cielo neu aufgelegt. Federico Moccia gilt derzeit als erfolgreichster Autor Italiens.
www.federicomoccia.it

Brigitte Lindecke studierte Literaturübersetzen an der Universität Düsseldorf und übersetzte seitdem zahlreiche Romane und Sachbücher aus dem Italienischen und Französischen, wie zum Beispiel (gemeinsam mit Monika Cagliesi) „Das Meer im September“ (1997) und weitere Romane von Enzo Siciliano oder Liebe und Tod in Havanna (2007) von Jérome Savary.