Buchcover Ein Comic für alle Lebenslagen
Daniela Höll über Der alltägliche Kampf von Manu Larcenet, aus dem Französischen übersetzt von Barbara Hartmann

Marco ist ein mittelmäßiger Fotograf mit einem mittelmäßigen Leben: Weder seine Eltern noch seine Kollegen nehmen ihn besonders ernst, seine Freundin wirft ihm Bindungsangst vor und sein boshafter Kater Adolf zeigt ihm meistens die Krallen. Manu Larcenets Comic-Reihe Le combat ordinaire zeigt Facetten des Alltags, die absurd erscheinen – und die dem Leser so oder so ähnlich doch irgendwie bekannt vorkommen.

In vielen witzigen und melancholischen Episoden erzählt Manu Larcenet aus Marcos Leben. Der erste Band der Reihe Le combat ordinaire dreht sich vor allem um die Probleme des Fotografen mit sich selbst und seiner Umwelt. So klagt z. B. der Vater gerade noch gegenüber seinem hilflosen Sohn darüber, dass er sich nichts mehr merken kann, da treibt der alte Mann schon Späße mit einer vorgeschobenen Gedächtnislücke. Und die Tierärztin, die Marco kennen lernt, gefällt ihm sehr, aber wie soll er ihr bloß erklären, dass sein Kater Adolf heißt?

Während im ersten Teil die vereinzelten Kommentare zum Algerienkrieg und den französischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2002, bei denen der Nationalist Le Pen den zweiten Platz belegte, noch überraschen, schneidet der zweite Band viele gesellschaftliche Probleme an. Ohne zu belehren, streift Larcenet immer wieder so heikle Themen wie drohende Arbeitslosigkeit, Rechtsradikalismus und die Last vergangener Kriegsverbrechen. Zudem muss Marco verkraften, dass sein Vater sich das Leben nimmt, um seiner schleichenden Alzheimerkrankheit zu entgehen.

Larcenet zwingt den Leser, scheinbar unumstößliche gesellschaftliche Urteile zu überdenken – und verschont nicht einmal die eigene Zunft, wenn er auf ironische Weise die Künstlerszene beleuchtet. Anstatt direkt zu kommentieren, zeigt er subtil das Menschliche, das hinter jeder Geschichte steckt. Das mag an vielen Stellen lustig und erleichternd sein, an anderen macht es aber auch nachdenklich und traurig.

Die Wirkung kommt einerseits durch die Mimik der Figuren zustande, mindestens genauso wichtig ist aber die große Bandbreite an Sprachstilen. Der Dialogtext verlangt der Übersetzerin viel Gespür für sprachliche Register ab, sowohl im Französischen als auch im Deutschen. Barbara Hartmann hat eine deutsche Fassung geschaffen, die genau den richtigen Ton trifft und auf der ganzen Linie überzeugt. Gekonnt meistert sie die Übertragung zahlreicher umgangssprachlicher Vokabeln und Satzstrukturen in eine inhaltlich stimmige und idiomatische deutsche Version. Kulturspezifische Ausdrücke sind gut an das Zielpublikum angepasst: „Front National“ beispielsweise wird in der französischen Form belassen, da sich der deutsche Leser die Bedeutung erschließen kann, sofern ihm die Partei nicht ohnehin bekannt ist, Markennamen und landestypische Abkürzungen wie „au Leclerc“ und „le R.E.R.“ werden aber auf eine allgemeinere Ebene gebracht, hier also „beim Einkaufen“ bzw. „die Bahn“. Der „discours du Parisien“, der Marco vorgeworfen wird, ist für die deutsche Leserschaft treffend interpretiert als „schlaues Gequatsche“. Die Übersetzerin lässt an einigen wenigen Stellen Satzteile weg, was aber durch den begrenzten Platz in den Sprechblasen nachvollziehbar ist.

Beide Bände von Le combat ordinaire sind rundum gelungen und auch nach mehrfacher Lektüre immer noch spannend und aufschlussreich – ob auf Französisch oder Deutsch. Bei so einer guten Übersetzung kann man sich nur darüber freuen, dass gerade der dritte Band erschienen ist.

Manu Larcenet: Der alltägliche Kampf, Band 1 und 2, aus dem Französischen übersetzt von Barbara Hartmann. Berlin: Reprodukt 2004

Manu Larcenet: Le combat ordinaire. Paris: Dargaud 2004

Emmanuel „Manu“ Larcenet wurde 1969 in Issy-les-Moulineaux in Frankreich geboren. Er studierte Grafik und Angewandte Kunst. Nach ersten Publikationen in „Fluide Glacial“ und dem „Spirou“-Magazin hat er mehr als 30 Comic-Alben vorgelegt, die eine sehr große thematische und stilistische Bandbreite aufweisen. In Deutschland ist er vor allem für die zeichnerische Umsetzung von Lewis Trondheims Die Kosmonauten der Zukunft und Donjon Parade (mit Joann Sfar) bekannt.

Barbara Hartmann ist 1980 geboren und lebt in Berlin. Aus dem Französischen übersetzte sie neben Le combat ordinaire bereits Die kleine Welt des Golem und Die Katze des Rabbiners (Band 2) von Joann Sfar und Das Land der drei Lächeln von Lewis Trondheim.