Einem Menschen einen Namen zu geben, heißt, sich ein Bild von ihm zu machen. Er kann diesem Bild fortan entsprechen, er kann ihm aber auch nicht gerecht werden. Die Dinge zu benennen, ihnen einen wissenschaftlichen Namen zu geben, heißt, sich einen Begriff von ihnen zu machen, heißt zu verstehen versuchen. So lautet im Groben einer der Erfahrungssätze aus „La Théorie des Nuages“ (2005), dem Roman mit dem der Franzose Stéphane Audeguy in Frankreich zum Kritikerliebling wurde, in Deutschland allerdings auf wenig Gegenliebe stieß. Als „Abenteuer-Wissenschaftsroman“ erschien er 2006 bei SchirmerGraf in der Übersetzung Elsbeth Rankes unter dem Titel „Der Herr der Wolken“ – ein Titel, der ein trügerisches Bild entwirft.
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Warum sollte man mit einem Auftragskiller mitfühlen - er handelt doch gegen das Gesetz? Warum wird jemand, der unter seinen Kollegen den Ruf eines Moralapostels genießt, zum Auftragskiller? Und wie kann man mit solch einem Menschen Mitleid haben? Die Antwort finden Sie in Betriebsbedingt gekündigt, einem absolut lesenswerten Roman. Warum?
Edward St. Aubyn sorgte 1992 mit seinem ersten Roman für Aufsehen, als er dem britischen Publikum einen ebenso amüsanten wie schockierenden Blick hinter die Kulissen seiner Upper Class gewährte. Auf eine deutsche Übersetzung mussten die Leser hierzulande lange warten, bis im letzten Jahr schließlich der vierte Band aus St. Aubyns Romanreihe für den renommierten „Booker Prize“ nominiert wurde. Doch das Warten hat sich gelohnt.
Luc Ferry - Philosoph, Professor, Publizist und Politiker - hat auf knapp 300 Seiten zusammengefasst, „was er in der Geschichte des Denkens als wichtig erachtet“. Er rast also in seiner „Philosophischen Gebrauchsanweisung“ in den vier „wichtigsten Schritten“ vom Stoizismus über das Christentum dem Humanismus entgegen, umkreist noch schnell den „Fall Nietzsche“ in der Postmoderne und kommt über die „zeitgenössische“ Philosophie nach der Dekonstruktion schließlich zu seinem eigenen philosophischen Gesamtkonstrukt. In Frankreich war die literarische Welt begeistert. Doch hierzulande scheint die Welle der Begeisterung nicht so hoch zu schlagen. Woran liegt's?
Seit gut zehn Jahren schaffen es die Bücher des Brasilianers Paulo Coelho in Deutschland regelmäßig auf die Bestsellerlisten. Sein Konzept ist ebenso einfach wie erfolgreich: kurze, gleichnishafte Erzählungen, in denen der Sinn des Lebens gesucht und nach manchen Umwegen schließlich auch gefunden wird. Doch in seinem Roman „Elf Minuten“ zeigt der Autor Schwächen – die Übersetzerin Maralde Meyer-Minnemann dafür kaum.
Ein kleiner Stoffbär erwacht zum Leben, macht sich auf, die Welt zu entdecken, bekommt Nachwuchs und soll schließlich durch einen Justizirrtum als gefährlichster Terrorist der USA zum Tode verurteilt werden. Das hört sich skurril an? Ist es auch. Clifford Chase wählt in seinem ersten Roman „Winkie“ einen ganz neuen Ansatz, den Antiterrorkampf der USA anzuprangern. Dank Marcus Ingendaays grandioser Übersetzung ist das Buch auch auf Deutsch ein reines Lesevergnügen.
In diesem preisgekrönten Roman von Laurent Gaudé verheißt „Frau Sonne“ keinesfalls nur Wärme und Licht. Sie bestimmt das Leben der Menschen in dem kleinen süditalienischen Dorf Montepuccio und bringt manch einen von ihnen um den Verstand. Auf 250 Seiten entsteht eine Welt voller Gerüche, Farben und Emotionen, die das Herz des Lesers wärmt – nicht nur im Winter.
Weit verzweigt wie die Mafia selbst sind die Handlungsstränge, die Schauplätze und das Netzwerk der Figuren in diesem erfrischend frechen und verblüffenden Debütroman. Ottavio Cappellani hat mit Wer ist Lou Sciortino? eine skurrile Persiflage auf die Mafia geschrieben, die die bekannte Filmlegende vom allmächtigen Paten genüsslich demontiert.
Mit seinem elften Roman stellt John Irving wieder einmal sein Talent als Geschichtenerzähler unter Beweis. Und er versteht sein Handwerk: Ohne Eile breitet er vor dem Leser eine bunte Welt voll skurriler Charaktere aus, Tragik und Komik liegen dicht beieinander, Wortspiele und Bilder werden gekonnt eingesetzt. Der deutschen Übersetzung gelingt es jedoch nicht immer, Irvings Stil gerecht zu werden.
Eine vielseitige Reise durch absurde Welten präsentiert uns der Verlag Antje Kunstmann in der Übersetzung von El gaucho insufrible (Der unterträgliche Gaucho) des Chilenen Roberto Bolaño. In fünf Kurzgeschichten und zwei Essays werden äußerst verschiedene Welten und Charaktere dargestellt - wie zum Beispiel der traurigste Nordamerikaner der Welt in den Straßen von Mexiko Stadt, ein pensionierter Rechtsanwalt in der argentinischen Pampa oder gar ein Rattenpolizist in der Kanalisation.
„Ich bin arm, ledig, deprimiert. Seit Monaten denke ich über meine Krankheit des zu vielen Nachdenkens nach und habe die Wechselbeziehung zwischen meinem Unglücklichsein und der Inkontinenz meines Verstandes zweifelsfrei festgestellt.“ Für Antoine gibt es keine Alternative mehr: Um endlich ein schönes, angepasstes Leben in der Gesellschaft führen zu können, muss aus ihm ein Idiot werden.
Die Beschreibung einer Siebzehnjährigen, der ihre Begegnungen mit Bohemiens und eleganten Frauen wie zu warm genossener Champagner rasch zu Kopf steigen, wirkt in Sybille Bedfords süffiger Sprache Schwindel erregend. Die Übersetzerin Sigrid Ruschmeier kühlt sie jedoch mit klaren Sätzen auf eine angenehme Temperatur ab, so dass der Leser, bevor auch ihn der Schwindel erfasst, das Prickeln im Kopf genießen kann...
Islamistischer Terror, die Generalverurteilung arabischer Menschen, der Umgang mit dem 11. September, der Krieg im Irak: Patricia Duncker gelingt es in ihrem neuen Roman, aus diesen schweren Zutaten die leichte, unterhaltsame Geschichte von Miss Webster und Chérif zu zaubern.