Liebe Leserinnen und Leser!

„Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn“, so ein Gedanke bei Jorge Luis Borges. Denken mit fremdem Gehirn? Das klingt reizvoll, spannend, abenteuerlich, jedoch stößt ein deutscher Leser, zumindest bei übersetzter Literatur, vermutlich schnell an die eigenen Grenzen: Sind doch in einem fremden Gehirn nicht bloß aufregende, fremde Gedanken, sondern in erster Linie fremde Sprachen enthalten. Schrieb Borges etwa deutsch? Nein, aus Borges’ Mund würde dieselbe Aussage vielmehr lauten: „Leer es pensar con un cerebro ajeno.“

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Interview

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Interview mit
Lothar Schröder,
dem Feuilletonredakteur bei der Rheinischen Post
Lothar Schröder, Feuilletonredakteur bei der Rheinischen Post, im Gespräch mit ReLü über den Stellenwert von Literaturkritik und über die Frage, warum Übersetzungskritik in den herkömmlichen Medien selten Platz findet.

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Literatur

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Mareike Krause über
Mondgischt von Dawn Clifton Tripp
aus dem Englischen übersetzt von Andrea Fischer
Der Umschlag des Buches lässt kaum Platz für Zweifel - im Inneren verbirgt sich eine von vielen perfekten Spätsommerlektüren. Das Übliche. Doch entgegen dieser Erwartung taucht der Leser ein in eine Welt, in der Blutweiderich wächst und Schwammspinner zur landschaftsüblichen Fauna gehören, in der knorrige Charaktere die raue Szenerie beleben und verstörte Kinder mit Essen ihre Wände bemalen. Eine Übersetzung, über deren Wortgewalt der Inhalt des Buches beinahe in den Hintergrund rückt...

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Kirsten Gerding über
Zurück von Pascale Kramer
aus dem Französischen übersetzt von Andrea Spingler
Zurück ist kein Krimi und doch fühlt sich der Leser wie ein Detektiv, der versucht herauszufinden, was sich zwischen den Zeilen abspielt. Zurück ist auch kein Thriller und in jedem gewöhnlichem Krimi werden mehr Grausamkeiten in einem Nebensatz abgehandelt. Trotzdem geht die Geschichte unter die Haut. Dabei ist Zurück eigentlich nur eine Geschichte über eine Familie und ihre Bemühungen nach ihrer Rückkehr aus Uruguay in Frankreich heimisch zu werden.

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Nina Restemeier über
Doing it von Melvin Burgess
aus dem Englischen übersetzt von Andreas Steinhöfel
Ist es nicht so? Wer am lautesten über Sex redet, der hat selbst keinen. Dino, Ben und Jonathon erfüllen das Klischee perfekt, denn ein anderes Gesprächsthema scheinen sie nicht zu haben. Bei ihren Versuchen, die Sache mit dem Sex endlich mal auf die Reihe zu kriegen, stolpern die Jungs von einer haarsträubenden Situation in die nächste. Ein Roman über Jugendliche, (nicht nur) für Jugendliche.

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Marlene Frucht über
Der Bauch des Ozeans von Fatou Diome
aus dem Französischen übersetzt von Brigitte Große
Salie hat den Senegal verlassen und lebt in Strassburg. Am Telefon schwärmt ihr Bruder ihr vor, wie gerne er als Profifußballer nach Frankreich kommen würde. Daraufhin versucht Salie, ihn davon zu überzeugen, dass Frankreich nicht das Paradies ist, das er und seine Freunde sich ausmalen.

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Caroline Grunwald über
Das Kind im Turm von Françoise Chandernagor
aus dem Französischen übersetzt von Christel Gersch
In ihrem neusten Roman Das Kind im Turm (La Chambre) erzählt Françoise Chandernagor einen Fall von Kaspar Hauser, ein Lehrstück über Sprachverfall, ein Historienstück über die Terrorherrschaft Robespierres und ein dunkles Kapitel französischer Nationalgeschichte: Die Geschichte von Louis Charles, dem achtjährigen Sohn Louis XVI, der in einem Zimmer eingeschlossen dahinvegetiert, bis er schließlich blass und einsam stirbt. Frappierend dabei nicht nur der Inhalt der Geschichte, sondern besonders die gravierenden Streichungen in der deutschen Übersetzung, die dem Buch ebenso das Leben aussaugen wie die Einsamkeit dem kleinen Louis Charles.

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Hans Theo Siepe über
Ich habe sie geliebt von Anna Gavalda
aus dem Französischen übersetzt von Ina Kronenberger
Es mag ja sein, dass der Roman Ich habe sie geliebt von Anna Gavalda schlecht ist, wie Hubert Spiegel befunden hatte (FAZ vom 26.4.2003), als er zugleich auch die deutsche und französische Literaturkritik zu Gavalda kritisierte. Aber auch er wird sich an seinen eigenen letzten Sätzen messen lassen müssen: "Darf man Kritiker an den Büchern messen, die sie loben [bzw. verreißen]? Man muß."

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Stefanie Hattel über
Das Badezimmer von Jean-Philippe Toussaint
aus dem Französischen übersetzt von Joachim Unseld
Die Inszenierung einer Weltverweigerung in drei Teilen: Der Ich-Erzähler kehrt der Welt den Rücken und zieht sich bis auf weiteres in sein Badezimmer zurück. Er kehrt Paris den Rücken und lässt sich durch Venedig treiben. Er kehrt nach Paris und in sein Badezimmer zurück. Resolut verankert Übersetzer Joachim Unseld die Objektwelt des Romans im französischen Kulturraum. Stilisierung lautet sein Prinzip. Wie Toussaint mit der Erzähltradition spielt er mit Übersetzungsstrategien und Stilregistern und meistert souverän den französischen Sprachgebrauch. Bisweilen liest sich Das Badezimmer in der Neuübersetzung wie ein gelehrter, aber vergnüglicher Kommentar.

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Marie-Christin Starck über
Der Schatten des Windes von Carlos Ruiz Zafón
aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar
Spannung und Sprachwitz in Spanien. Genauer gesagt, im Spanien des 20. Jahrhunderts. Bei dem Versuch eines zehnjährigen Jungen, das Geheimnis zu lüften, das sich um ein Buch rankt, entsteht eine äußerst spannende, sprachgewandte und verworrene Geschichte über die Liebe, das Leben und die Wirren des spanischen Bürgerkriegs sowie der Nachkriegszeit.

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Nadine Alexander über
Wie ich das Haus meiner Eltern leer räumte von Lydia Flem
aus dem Französischen übersetzt von Sigrid Vagt
Entfliehen kann man diesem Ereignis nicht. Es trifft jeden von uns. Den einen früher, den anderen später. Wer es nicht schon hinter sich hat, dem steht es noch bevor. Der Tod der Eltern ist eine Bruchstelle in unserem Leben. In den meisten Fällen gibt es zudem noch eine ganz praktische Aufgabe zu bewältigen: Das Haus oder die Wohnung der Eltern muss aufgelöst werden. Die Psychoanalytikerin Lydia Flem hat ein Buch über dieses sehr persönliche und zugleich universelle Thema geschrieben.

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Johanna Wais über
Das Geheimnis des Goldschmieds von Elia Barceló
aus dem Spanischen übersetzt von Stefanie Gerhold
Ein schönes Büchlein hält man da in der Hand. Die erhabenen Lettern des Titels sind goldfarben unterlegt,es ist ein sinnliches Erlebnis, über das Muster dieses Goldbandes zu streichen... Akrobatisch flicht der Plot die erstaunlichen Erinnerungen eines Goldschmieds zusammen. In der Sprache Elia Barcelós, routiniert übertragen von Stefanie Gerhold, wird der Gestus der fünfziger Jahre deutlich, der im Roman vorherrscht und ihm sein Mottenkugelaroma verleiht...

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Wissenschaft

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Vera Elisabeth Gerling über
Lateinamerikanische Literatur in der DDR von Jens Kirsten
Wie gelangte die Vielfalt an Literatur aus Lateinamerika trotz Bespitzelung und Kontrolle ins "Leseland" DDR? Jens Kirsten schildert die Machenschaften des berühmt-berüchtigten Spitzels "IM Roiber" sowie die beharrlichen Bemühungen engagierter Verlagsmitarbeiter und Herausgeber um politisch nicht genehme Autoren. Und er zeigt auf, dass bei aller Einschränkung doch auch viel Pioniergeist möglich war.

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