Buchcover Beim Untertiteln muss man kürzen – aber bitte nicht am Honorar!
Nadine Püschel über die Situation von Übersetzern audiovisueller Medien

Wir leben, wird oft und gern behauptet, im multimedialen Zeitalter. Das gute alte Buch verwandelt sich in ‚Content‘, der mit zahlreichen Extras angereichert als ‚enhanced E-Book‘ elektronisch an den Leser gebracht wird. Unsere Zeitung lesen wir am PC oder auf dem Smartphone und statt vollgepackter Schulranzen können unsere Kinder wohl bald ganz entspannt ihren Tablet-Computer in den Unterricht mitnehmen.

Eigentlich müssten für uns Übersetzer audiovisueller Medien also goldene Zeiten anbrechen – kaum ein Museum kommt mehr ohne ausstellungsbegleitende Filme aus, keine DVD ohne optionale Untertitelspuren, keine internationale Firmenschulung ohne Trainingsvideos. All das will übersetzt, untertitelt, mit Voice-Over besprochen oder synchronisiert werden. Und die Medien, die wir übersetzen, werden (handwerklich) anspruchsvoller: Die Schnittfrequenz in Filmen und TV-Sendungen wird höher, denn dem Zuschauer könnte ja langweilig werden, wenn die Kameraeinstellung nicht oft genug wechselt. Ständig gibt es neue Formate, vom Breitbild der neuen Fernsehgeräte über Videoclips für Handys bis hin zu 3-D-Filmen (die dann natürlich auch dreidimensionale Untertitel brauchen). Der audiovisuelle Übersetzer muss also technisch und inhaltlich mithalten, er braucht – im Falle professioneller Untertitelung – teure Software, und er muss sich in eine Vielzahl von Themen und Stilen einarbeiten. Darin unterscheidet er sich nicht von Übersetzern, die mit technischen oder wirtschaftlichen Texten arbeiten, aber – und hier kommt das große Aber, das Literaturübersetzer nur zu gut kennen – bezahlt wird für solche Arbeit, so brutal darf man es inzwischen sagen, fast nichts. Im Vergleich zu den oft schwindelerregend hohen Budgets, die für die Produktion von Filmen und TV-Formaten zur Verfügung stehen, sind die paar hundert Euro, die man danach zähneknirschend für die Übersetzung herausrückt, ein Griff in die Kaffeekasse. Und selbst diese Preise sinken seit Jahren in den Keller. Wie kommt das?

Untertitler und Übersetzer von Voice-Over-Skripten werden meist pro Filmminute bezahlt, manchmal auch pro Untertitel. Für die sogenannte Rohübersetzung eines Filmskripts, die als Grundlage für die lippensynchrone deutsche Fassung dient (die in einem nächsten Arbeitsschritt und häufig nicht vom Übersetzer, sondern von einem Synchronautor erstellt wird), erhält der Übersetzer ebenfalls ein Minuten- oder ein Pauschalhonorar. Erfolgsbeteiligungen gibt es nicht; audiovisuelle Übersetzungen können aber bei der VG Wort gemeldet werden. Zwischen den eigentlichen Auftraggebern – den Filmverleihen, DVD-Firmen, Unternehmen usw. – und den freiberuflichen Übersetzern steht normalerweise eine Agentur, die sich auch um Lektorat und Weiterbearbeitung, also die Erstellung des untertitelten Mediums (DVD, Sendeband oder Filmkopie) oder die Aufnahme des Voice-Overs kümmert. Und diese Agenturen haben verstärkt Konkurrenz aus dem Ausland bekommen: In Spanien zum Beispiel können Voice-Over-Aufnahmen viel billiger erledigt werden, mit ein paar ausgewanderten Sprechern („voice over artists“ heißen sie auf Englisch sehr viel schöner) und preiswerterer Studiozeit (weil Technikmiete und Tonmeister nicht so viel kosten). DVDs mit Untertiteln in zehn Sprachen werden von US-amerikanischen Firmen produziert, die Freiberufler in aller Welt zu Spotthonoraren beauftragen. Lektorat: wozu?, denkt man sich dort. Sauberes Timing, also ein den jeweiligen Sprachstrukturen, Textmengen und Schnitten angepasstes Ein- und Ausblenden der Untertitel, das die Übersetzung erst lesbar macht: Fehlanzeige. Und seit das öffentlich-rechtliche Fernsehen per Gesetz aus Brüssel dazu gezwungen ist, Hörgeschädigtenuntertitel für das gesamte Sendeprogramm zur Verfügung zu stellen, setzt man die Gebühren der Zuschauer lieber gleich anderweitig ein und sucht sich, so lautet das Gerücht zumindest für einen großen TV-Sender, billige Agenturen in Asien. Das Ganze einmal in Zahlen ausgedrückt: Statt einer wie früher und bei manchen Auftraggebern immer noch üblichen Preisspanne von zehn bis fünfzehn Euro pro Filmminute bezahlen die großen deutschen Untertitelungsfirmen in der Regel nur noch fünf bis sechs Euro. Und Agenturen aus dem Ausland suchen Übersetzer, die den Job für umgerechnet 1,70 Euro übernehmen.

Sind wir also Opfer der Globalisierung? Vielleicht. Und wenn wir auch den Kampf für faire Honorare mit den Literaturübersetzern gemeinsam haben, so ist doch selten von der künstlerischen Leistung audiovisueller Übersetzer die Rede. Bei Untertitelung denken die meisten nur an die Notwendigkeit zu kürzen, was mit Verlust, nicht mit Kreativität gleichgesetzt wird. Bei Voice-Over und Synchronisation steht die Leistung der Sprecher im Vordergrund, die natürlich viel unmittelbarer wahrgenommen wird. Filmkritiken erwähnen (außer in besonderen Fällen wie Willkommen bei den Sch’tis oder bei eindeutigen Fehlern) die Übersetzung nie und den Namen des Übersetzers schon gar nicht. All das trägt dazu bei, dass die Arbeit audiovisueller Übersetzer nicht als wertvoll genug eingeschätzt wird.

Das soll nicht bitter klingen. Allein sind wir damit jedenfalls nicht – anlässlich eines Streiks der Flugbegleiter sprach ein Arbeitnehmervertreter ganz treffend von der zunehmenden „Verdiscounterung“ des Arbeitsmarktes. Und wer sich entscheidet, als Freiberufler zu arbeiten (nur wenige audiovisuelle Übersetzer sind direkt bei den Agenturen angestellt), setzt sich eben dem Konkurrenzdruck durch andere Anbieter aus. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht wehren kann und muss. Das haben die Literaturübersetzer mit ihrem an die Gewerkschaft ver.di angeschlossenen Verband beispielhaft vorgeführt. Seit etwas mehr als einem Jahr gibt es daher das Untertitelforum, einen (noch losen) Zusammenschluss von Untertitlern, der sich um Lobbyarbeit für audiovisuelle Übersetzung kümmern will. In anderen Ländern ist man schon viel weiter: Die audiovisuellen Übersetzer in Frankreich sind in einem starken Verband organisiert, und in Finnland protestierten vor kurzem Untertitler gegen ihre drohende Prekarisierung mit einer beeindruckenden Streikaktion – fast 100 von ihnen kündigten die Zusammenarbeit mit ihrem Arbeitgeber. Zurzeit wird dort versucht, über einen gewerkschaftlich organisierten Boykott genug Druck auf die Firmen auszuüben, um eine Art Tarifvertrag für die Branche durchzusetzen.

Natürlich gibt es sie noch, die Inseln der Glückseligkeit, auf denen Spartensender und engagierte Agenturen anständige Preise bezahlen und auf Qualität Wert legen. Mit einer gelungenen Mischkalkulation, guten Beziehungen zu den Auftraggebern und genügend Verhandlungsgeschick schafft man es auch in unserer Branche, von seinem Beruf zu leben. Damit das so bleibt, alte Hasen nicht den Beruf wechseln müssen und auch Neueinsteiger zu fairen Bedingungen Fuß fassen können, sind beide Seiten gefragt: die Übersetzer selbst, aber auch die Nutzer unserer Übersetzungen. Schlechte Untertitel, Voice-Over und Synchronisationen ärgern jeden, Zuschauer wie Übersetzer. Aber wenn Qualität nicht angemessen bezahlt wird, entsteht sie höchstens durch Selbstausbeutung.

Nötig wäre also eine Selbstverpflichtung vonseiten der Übersetzer, nicht jede Honorarkürzung oder jedes angebotene Dumpinghonorar anzunehmen oder umfangreiche Recherchen und Korrekturgänge auszuführen, ohne sie sich vergüten zu lassen. Nötig wäre eine Koalition von Agenturen und Übersetzern zur Qualitätswahrung in der Branche, eine Art ‚Best Practice‘, die sich den Endkunden gegenüber vermitteln und durchsetzen lässt. Und nötig wäre auch eine bessere Wahrnehmung dessen, was audiovisuelle Übersetzer leisten. Einen Einblick in die komplexen Arbeitsabläufe von Untertitlern bieten die Website des Untertitelforums, www.untertitelforum.de, sowie die Beiträge zur Filmuntertitelung in dieser Ausgabe von ReLü.

Vielleicht kommen sie dann ja doch noch, die goldenen multimedialen Zeiten, in denen man nicht nur mit Bildern und Geräuschen bombardiert, sondern weiter mit cineastischen Leckerbissen verwöhnt wird, spannende Autoreninterviews zum Lieblingsbuch aufrufen kann oder Wissen anschaulich vermittelt bekommt – und das alles mit hervorragender, fair bezahlter Übersetzung. Dass die nicht überflüssig wird, beweist ein mit vielen EU-Millionen gefördertes Forschungsprojekt zur maschinellen Untertitelübersetzung: Ohne kompetente Überarbeitung ist das Ergebnis nicht brauchbar, erfährt man auf den einschlägigen Konferenzen. Diese Kompetenz darf ruhig etwas kosten. Und überhaupt machen wir es dann lieber gleich selbst – denn wir sind alle Übersetzer aus Leidenschaft.

Nadine Püschel hat in Düsseldorf Literaturübersetzen für die Sprachen Englisch und Französisch studiert und in Berlin drei Jahre als festangestellte Untertitlerin gearbeitet. Seit 2008 hat sie als freie Literaturübersetzerin und Untertitlerin zwei ziemlich wacklige Standbeine, ist damit aber noch nicht auf die Nase gefallen. Sie gehört zu den Initiatorinnen des Untertitelforums: www.untertitelforum.de.

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2 Kommentare zu „Beim Untertiteln muss man kürzen – aber bitte nicht am Honorar!“

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  1. Wenn ich Ihren Artikel vorher gelesen hätte, wäre ich beim letzten Preisgespräch besser gewappnet gewesen! – Als Newcomer – habe vor einigen wochen Filmskripts für zwei ARTE-Dokumentariflme übersetzt – ist mir bis jetzt nicht so recht klar, wo hört die Arbeit des Übersetzers auf und wo fängt die Arbeit des Redakteurs an?

    Für eine Rohübersetzung vom Blatt weg (Dialoge waren 100% astrein verschriftet) erhielt ich bereits EUR 1,20 pro Zeile, jedoch steckte da noch viel Mehrarbeit für den Redakteur drin, um die Texte zu kürzen, ans Bild anzupassen und sprechertauglich zu redigieren.

    Kann ich denn davon ausgehen, dass andere Filmproduktionen auch so arbeiten oder wird nicht vielmehr erwartet, dass die Dialoge schon weitgehend feingeschliffen sind? Ich spreche hier also nur von Voice-over und Synchronisation.

    • Silke Pfeiffer sagt:

      Liebe Karin Weidlich,

      vielen Dank für Ihren Kommentar!

      Wenden Sie sich mit Ihrer Frage doch mal an die Damen und Herren vom Untertitelforum (untertitelforum.de), zu dessen Gründungsmitgliedern Nadine Püschel ja auch zählt. Ihre Frage geht zwar in die Voice-over-/Synchro-Richtung, aber vllt. kann Ihnen da ja trotzdem jemand weiterhelfen. So viel ich weiß, gibt’s auf der Homepage auch eine Sammlung nützlicher Links…

      Und wenn Sie in Berlin sitzen, können Sie auch den Stammtisch besuchen und sich dort informieren. Schauen Sie sich einfach mal auf untertitelforum.de um.

      Viel Erfolg (fürs Verhandeln ebenso wie für die nächsten Übersetzungsprojekte!)
      Silke Pfeiffer